Montag, 16. Mai 2016

"Bilder im Kopf"

Jaja, ewig nichts schreiben und dann nur am jammern.
Einmal muss aber noch. Es ist ja zum Glück niemand gezwungen, meine geistige Grütze hier zu lesen.

Ich hab den Druck in mir, dass ich den Tag wo mein Vater starb, niederschreiben muss.
Ich muss es ein mal los werden.
Jedes Mal, wenn ich an der alten Wohnung von meinem Vater vorbei komme, hab ich so ein Druck im Bauch...
Ich frage mich, wann ich diese Bilder los werde. Ob ich sie überhaupt los werden will.

Am 12.6.15 waren meine Schwester, eine Freundin und ich bei einem Bekannten in Bremen.
War eigentlich ein angenehmer Tag, bis mein Handy klingelte.
Ich hasse telefonieren, vor allem wenn mich unbekannte Nummern anrufen. Also habe ich meine Schwester vorgeschickt.
Sie gab mir das Handy allerdings ganz schnell wieder als sich die Polizei Bremen meldete.
Völlig ruhig fragten sie mich, ob ich die und die Person sei und ob ich die und die Person kennen würde.
Da zog sich schon alles irgendwie zusammen. Im Hinterkopf ratterte es. Sie wollen mir bestimmt nur sagen, dass mein Vater einen Unfall mit seinem Auto hatte und in welchem Krankenhaus er ist.

Allerdings kam dann alles anders.
Ich werde die Worte nie vergessen. "Dann muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ihr Vater letzte Nacht in der Früh verstorben ist."

Ich war einfach nur außer mir. Ich kann nich sagen, wie sich das Gefühl in mir in diesem Moment angefühlt hat.
Natürlich hatte ich keine Ahnung was ich tun sollte.
Habe den Polizisten am Telefon ausgefragt was er weiß.
Herzinfarkt.

Ich weiß nicht wie er es geschafft hat mich so weit zu beruhigen, dass ich ihm wieder zuhören konnte.

Er fragte, ob es möglich sei, dass ich vorbei komme.
Weiß nicht warum, aber bei der Frage wurde mir richtig übel.

Ich war gerade in Bremen, ich wollte das meinem Bruder nicht antun, also habe ich meine sieben Sachen gepackt.
Meine Schwester und meine Freundin sind mit mir mit.
Taxi. Bus wäre kein Problem gewesen, aber meine Freundin bestand auf Taxi.
War am Ende wohl richtig, es ging schneller und ich musste nicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln durchdrehen.

Als wir ankamen hat uns schon der Betreiber des Griechens unter der Wohnung von meinem Vater empfangen.
Hussein.
Er war ein guter Freund von meinem Vater.
Es brach wieder alles in mir aus, als er uns weinend in den Arm nahm.

Zeitgleich hatte ich einfach nur Angst, was jetzt noch alles passiert.
Hussein war uns eine große Hilfe.

Er sagte der Polizei bescheid, dass wir angekommen sind, und nur wenige Minuten später trafen sie auch wieder ein.

Wir "Sollten" mit hoch in die Wohnung...
Es mussten schließlich die Schlüssel, Wertsachen und der Totenschein übergeben werden...
Wir standen im Wohnzimmer. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen.
Da lag er. Abgedeckt. In seinem Bett.

Er bekam die Nacht zwischen 1-3 Uhr einen Herzinfarkt im Schlaf.

Er lag da einfach...

Uns wurde nochmal in Ruhe gesagt, wie er gefunden wurde.
Nachbarn haben sich Sorgen gemacht, weil er den Morgen nicht runter kam.
Kollegen wollten ihn zur Arbeit abholen.
Ich bin immer noch so dankbar, dass sie so schnell die Polizei geholt haben weil die gespürt haben, dass da was passiert sein muss.

Wir verbrachten den ganzen Tag beim Griechen, bzw bei Hussein.

Er hat uns den hinteren Bereich gelassen, Rauchergäste mussten raus.

Den gazen Tag...

Ich weiß nicht mal mehr, wer den Bestatter ruf... Ich weiß nur, dass er uns die Nummer rausgesucht hat.

Da hieß es nur noch warten.
Warten.
Warten.
Noch mehr warten.

Unsere Mutter war schon alarmiert, allerdings musste sie erst aus Hessen nach Bremen fahren.

Sie hat sich gleich auf den Weg gemacht.

Der Bestatter kam natürlich vor ihr an.

Und nochmal musste ich mit hoch...

Irgendwie wollte ich es auch.

Ich wollte ihn noch ein mal sehen.

Während die Bestatter sich um ihn gekümmert haben, habe ich mich aufs Sofa gesetzt.
Meine kleine Schwester habe ich einfach auf meinen Schoß gezogen und wir haben einfach geweint.

Als sie so weit waren, haben wir sie wieder runter begleitet.
Er wurde verladen, und dann war er auch schon weg..

Weg. Einfach so.

Wir saßen einfach den ganzen verdammten Tag bei Hussein.
Durften aufs Haus trinken und essen.

Lagen uns so oft weinend in den Armen...

Papas Nachbar. Der war auch die ganze Zeit da. Zum Glück war er so aufmerksam...

Hat uns Geschichten über Papa erzählt. Wie oft er sagte, wie stolz er auf seine Kinder sei...
Warum hat er uns das nie gesagt?
Warum nicht?

Mein Vater hat wirklich viele Fehler gemacht. Aber es wurde in den letzten Jahren besser...
Es war auf dem Weg, wieder alles gut zu werden.
Und dann wird er uns einfach genommen.

Es war ein Freitag.

Nach und nach kamen Bekannte und Kollegen von Papa beim Griechen an.

So ist das bei den Leuten gewesen. Wochenende, Feierabend, erstmal auf ein Bier und was zu Essen treffen.

Sie bekamen alle nach und nach die Nachricht von Papa...
Deren Blicke. Jeder Einzelne. So geschockt und entsetzt.

Es tat mir alles so leid, aber anderseits tat es gut zu sehen, wieviele mitgefühlt haben.

Als Mama dann nach ein paar Stunden eintraf sind wir nach einer kurzen Weile auch nur noch nach Oma gefahren.

Der Schock sitzt mir immer noch in den Knochen.

Jedes mal, wenn ich da vorbeifahre..
Immer diese Bilder im Kopf.

Und wieder die Frage, ob ich die Bilder überhaupt vergessen will.
Eigentlich will ich nur, dass es bald aufhört sich so schlimm anzufühlen.